
Neverending
Im Zuge des 20-jährigen Jubiläums der KURZFILMSCHMIEDE arbeiten wir aktuell an der Kurzgeschichtenanthologie „Vom Filme schmieden. Und anderen Träumen“. Dabei hat einer der Autoren einer Kurzgeschichte – Martin – die Idee gehabt, eine Fortsetzungsgeschichte zu schreiben. So hat er den Anfang geschrieben und jede*r die/der Lust hatte, konnte sich daran beteiligen, diese Geschichte weiterzuschreiben. Dabei ist eine wilde Geschichte entstanden, die wir als Anhang G mit in die Anthologie aufnehmen werden.
Wie ich so da saß, fiel mir das alte Mütterlein ein, das ich während einer Fahrradtour kennenlernte.
Vorgeschichte:
Nach Jahren harter Arbeit in einer Baufirma kam der Tag, an dem ich alles hinschmiss. Der anspruchslose Job an einer Abrissbirne hatte mich physisch und psychisch fertig gemacht. Der Tropfen Schweiß, aus dem schließlich ein Meer wurde, war an diesem verregneten Montagmorgen zu viel.
Mein Chef, Adalbert Windlicht, hatte am Wochenende zuvor kurzerhand eine Großbaustelle im Emsland angenommen und damit in der Belegschaft ein mittleres Erdbeben ausgelöst. Denn damit ging einher, den bevorstehenden Urlaub von drei Facharbeitern zu streichen.
Die Mitteilung, verpackt in einem grünen Umschlag, erreichte mich am Montag im Bauwagen zur Frühstückspause.
[Martin]
Ich nahm den Brief verwundert in die Hand und prüfte erst mal sein Gewicht. Es schien nur ein einziges Blatt darin zu sein, maximal zwei. Ich dachte: „Was soll denn das? Was ist bloß so wichtig, dass es in einem Brief mitgeteilt werden muss? Die Kündigung vielleicht? Aber in einem grünen Umschlag? Wäre da nicht ein roter angemessener?“
Nun ja, es gab wohl nur eine Möglichkeit, das herauszufinden: Ich musste den Brief aufmachen.
Okay, statt eines Brieföffners nahm ich einfach meinen Zeigefinger, was zur Folge hatte, dass ich einen Teil des Briefinhalts beim Öffnen mit einriss. Aber das war gar nicht so schlimm, denn die Botschaft war doch recht schlicht gehalten. Da stand in riesiger Schrift einfach nur:
Seid froh, dass ihr nicht die Cheopspyramide aufbauen müsst!!!
Ja, tatsächlich mit drei Ausrufezeichen.
[Ralf]
Verwundert über den Text untersuchte ich den restlichen Briefumschlag.
Zunächst fiel mir nichts Außergewöhnliches auf, doch dann entdeckte ich hinter dem zweiten Blatt ein rotes Blinken. Es war eine kleine LED-Leuchte, die auf eine Art kleinen, runden, filzgleiterförmigen Untersatz montiert war. Ich nahm dieses blinkende Ding vorsichtig zwischen Zeigefinger und Daumen und inspizierte es mit zugekniffenen Augen. Irgendwo hatte ich so etwas schon einmal gesehen …
Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Es war ein Peilsender!
Genau so ein Peilsender, wie man ihn aus dem Fernsehen kannte, nur ohne das allseits bekannte Piepgeräusch. Meine Hände begannen zu zittern, und der Schweiß lief mir die Stirn herab. Was hatte es mit diesem Brief auf sich?
Noch bevor ich den nächsten Gedanken zu Ende denken konnte, hörte ich ein dröhnendes Geräusch von außerhalb des Bauwagens. Ich schaute aus dem Fenster und sah, wie drei schwarze Wagen mit getönten Scheiben auf das Gelände der Baustelle fuhren. In mir keimte eine schreckliche Gewissheit auf: diese Wagen waren wegen mir hier, genauer gesagt, wegen dem Brief in meinen Händen.
[Lukas]
Ich hätte sofort aufspringen, panisch davonlaufen und nach Hilfe schreien sollen. Doch ich blieb wie angewurzelt sitzen und beobachtete die Wagen draußen. Ich ging jeden einzelnen Schritt in meinem Leben durch, den ich je gemacht hatte. Was war es, was diese Leute veranlasste mich auf diese Art und Weise aufzuspüren? Das alles musste ein riesiges Missverständnis sein.
Die Tür des Bauwagens wurde mit roher Gewalt aufgetreten und das Nächste, was ich wahrnahm, war ein Gewehr, das sich auf mich richtete. Jetzt war der Zeitpunkt wirklich gekommen ernsthaft Angst zu bekommen.
„Nicht schießen! Oh Gott, bitte nicht schießen!“, schrie ich den Mann mit dem Gewehr in der Hand an, während ich meine Hände über meinen Kopf hob. Der Mann schien sichtlich amüsiert und fing an zu lachen.
[Lara]
Ich hatte schon mit meinem Leben abgeschlossen und die Augen zusammengekniffen, in der Angst gleich von einer Kugel getroffen zu werden – warum auch immer. Als ich jedoch das Lachen vernahm hob ich vorsichtig den Kopf und blinzelte. Der Bewaffnete nahm das Gewehr runter und jetzt erkannte ich ihn auch: es war mein Chef Adalbert Windlicht! Mein Herz hämmerte immer noch wie wild in meiner Brust, aber langsam legte sich die Aufregung und ich nahm auch die Hände wieder herunter. Was wurde hier gespielt?
Die zwei anderen Männer, die noch mit Herrn Windlicht eingetreten waren, waren zwei Kollegen unserer Baufirma. Regentropfen perlten von ihrer Kleidung und nässten den Boden des Bauwagens, indem ich gerade bei meinem Frühstück gesessen hatte.
„Tut mir leid, wenn ich Ihnen einen Schrecken eingejagt habe“, lachte mein Chef immer noch. „Ich muss Ihnen eine wichtige Information mitteilen und ich dachte mir, mit dieser Art der Mitteilung unterstreiche ich nochmals die Wichtigkeit der Sache.“
Mein Herzschlag näherte sich langsam der Normalität, doch ganz beruhigte er sich nicht. Aber diesmal nicht wegen der Angst in mir, sondern der Wut, die sich in mir aufstaute. Es war eine Unverschämtheit, so mit seinen Mitarbeitern umzugehen! Ich hatte ja schon eine Menge in dieser Firma mitgemacht in den letzten Jahren, aber dies schlug dem Faß doch den Boden aus. Ich war heilfroh nächste Woche in den wohlverdienten Urlaub gehen zu können. Dann würde ich mal Abstand von dem Ganzen hier bekommen.
„Das war nicht wirklich lustig, Herr Windlicht. Sie haben mir wirklich einen riesigen Schrecken eingejagt!“
„Ach halb so schlimm“, winkte er lapidar ab, immer noch mit einem Grinsen auf den Lippen. „Sie werden nicht glauben, was ich Ihnen mitzuteilen habe.“
Jetzt war ich wirklich gespannt, was es denn da so wichtiges zu berichten gab. Mit einer Lohnerhöhung rechnete ich schon gar nicht. Ein ungutes Gefühl machte sich in mir breit, denn ich ahnte, dass es nichts gutes an Neuigkeiten gab.
„Wir haben einen riesigen, neuen Auftrag für unsere Baufirma an Land gezogen. Vielleicht haben Sie das bereits gehört. Und ab nächster Woche geht es da auch schon los.“
Das waren ja gar nicht mal so schlechte Neuigkeiten. Arbeit für die Firma war immer ganz gut und sicherte meinen Job. Aber warum war ich immer noch skeptisch? Als mein Chef weitersprach, wusste ich direkt warum.
„Deshalb teile ich Ihnen auch mit, dass Sie als einer meiner besten Mitarbeiter, mit Schenck und Horbitzer“, er deutete auf die zwei Kollegen, „die neue Baustelle leiten werden. Den Urlaub bekommen Sie natürlich gut geschrieben und können ihn später im Jahr nehmen.“
Adalbert Windlicht grinste mich wie ein Honigkuchenpferd an, während mein Gesicht sich vor Zorn langsam rötete.
„Na, was sagen Sie?“
[Alexander]
Eigentlich schrie alles in mir „Lass es!“, doch irgendwie reizte mich die Aufgabe. Und ich wollte zocken.
„Cheffchen, das ist ja alles ganz nett, aber mal ernsthaft. Urlaub ist gebucht und Sie wissen ja: Malle ist nur einmal im Jahr! Also muss sich das ganze Thema schon lohnen. Für Sie tut’s das ja anscheinend, wenn Sie“, ich zeigte auf das Plastikgewehr, „sich so einen Heckmeck mit mir erlauben können. Daher klare
Frage: Was ist für mich drin?“
Hah, damit hatte er nicht gerechnet, das Grinsen verschwand aus seinem Gesicht, dafür grinsten die anderen beiden jetzt umso mehr. „Kawuttke“, er schüttelte den Kopf, „Mach’s mir doch nicht so schwer!“
„Ernsthaft, Cheffchen, ich wollte heute schmeißen. Und nun kommst du hier mit Großbaustelle-Mooßbaustelle. Whatever! Was sollen wir überhaupt bauen?“
„Ich sag mal so viel: Es wird groß!“
„Gut“, ich spielte die kleinste Violine der Welt zwischen Daumen und Zeigefinger, „dann das hier auch. 5 Mille extra cash und ich fahre heute noch los!“
„Ernsthaft?“
„Ernsthaft!“
„Ok, hör zu. Es geht nach Hannover.“
„Ok, und was bauen wir da?“
[Sebastian]
Adalbert Windlicht straffte seine Schultern und sein Brustkorb schwoll mit jedem Wort an, das er sprach. „Wir bauen den ersten großflächigen, schwimmenden Gebäudekomplex deutschlandweit. Die Leine wurde bereits ausgemessen und erste Grundkonzepte sind auch schon erstellt.“
Mir blieben kurz die Worte aus, was nur in äußerst seltenen Fällen passierte. Hätte mein Chef nicht dieses stolze Grinsen im Gesicht, was er immer trug, wenn er einen großen Auftrag an Land gezogen hatte, hätte ich seine Aussage für einen weiteren Scherz gehalten.
„Na, was ist?“, fragte Adalbert mich. Sein Grinsen bekam eine leicht süffisante Note, während er mich musterte. „Da hättest du dein Malle jeden Tag in Hannover.“
Schenck und Horbitzer gackerten amüsiert. Ich riss mich wieder zusammen und versuchte die Sache ganz nüchtern zu betrachten. Der Auftrag klang nach einem Sechser im Lotto! Ich würde befördert werden, könnte meine Talente in diesem Projekt unter Beweis stellen und wenn mir dieses Projekt gelang, würden sich die anderen Baufirmen reihenweise um mich reißen. Dann könnte ich endlich weg aus diesem Irrenhaus hier. Vielleicht gründete ich danach meine eigene Baufirma …
Die Ideen begannen in meinen Kopf zu explodieren. Aber ich war noch nicht fertig mit dem Zocken. Ein Zug musste noch sein.
„Und was ist mit den 5 Mille extra Cash?“
Adalberts Grinsen fror ein wenig ein. „Ich sag mal so, der Vertrag, den ich unterschrieben hab, gibt tatsächlich eine ordentliche Summe für uns her. Den extra Cash musst du dir aber erstmal verdienen.“
Ich verzog keine Miene. Wie beim Poker. „Bist du dir da sicher? Ich bin einer deiner besten Leute.“
„Ich bin mir absolut sicher.“
Ich wandte mich betont unbekümmert von ihm ab. „Gut, dann fahre ich morgen in meinen wohlverdienten Urlaub.“
„Schade.“ Adalberts Stimme klang dabei keineswegs bedauernd. „Ich hätte dich gern in der Position gehabt, aber Schenck oder Horbitzer hätten bestimmt auch Lust drauf.“ Ich hörte die beiden zustimmend murmeln.
Ich biss mir auf die Zunge. Mist, das hatte nicht so gut geklappt. Aber ich kannte meine Verhandlungsgespräche mit ihm. Man musste es einfach öfter versuchen. Bevor ich ihm antworten konnte, fing etwas in meiner Hand zu piepen an. Verdutzt schaute ich nach unten. Ich hatte den Zettel aus dem grünen Umschlag immer noch in meinem rechten Griff. Und der Peilsender blinkte plötzlich rot auf. Langsam genervt von dem nie endenden Scherz verdrehte ich die Augen.
„Was wird das jetzt wieder?“
Adalbert, Schenck und Horbitzer schauten mich ebenso verwirrt an.
„Ich hab keine Ahnung“, antwortete Adalbert. „Der Zettel ist nicht von mir.“
[Xenia]
Ich schaute nach unten auf den Zettel, die Schrift kam mir irgendwie bekannt vor und ich fing an zu lesen:
Schatz, da du die letzten 10 Jahren unseren Hochzeitstag vergessen hast, hier eine kleine Erinnerung.
Ach ja, Hochzeitstag, mir wurde heiß und kalt. Seit zehn Jahren bin ich nun mit Celibeth verheiratet und jedes Jahr vergesse ich wegen der vielen Arbeit unseren Hochzeitstag. Jedes Jahr schaue ich dann Celibeth in ihre rehbraunen Augen und schwöre bei meiner Mutter, dass ich im nächsten Jahr daran denken werde. Ich schaute kurz zu Adalbert, Schenck und Horbitzer, die mich fragend anschauten, aber ich zuckte nur mit den Schultern und beugte mich wieder runter, um weiter zu lesen.
Für unsere Rosenhochzeit habe ich unseren Mallorca-Urlaub umgebucht und wir fliegen bereits heute Abend zu meiner Familie nach Panama. Ach, und der Peilsender war übrigens die Idee von meinem Bruder Eduardo, der dich gleicht abholt und zum Flughafen bringt. Das Gepäck und ich stehen am Gate und warten auf dich. Besos mi amor!
Konsterniert schaute ich zu den Kollegen, die Wörter, die ich gelesen hatte, drehten sich in meinem Kopf und ich stammelte nur so vor mich hin. Die Situation musste für meine Kollegen irgendwie erheiternd gewesen sein, da sich Schenck und Horbitzer auf die Schenkel hauten und Tränen in den Augen hatten, vom vielen Lachen.
Im Gegensatz zu meinem Chef, der mir den Brief aus der Hand gerissen hatte, um ihn zu lesen. Er wurde erst kreidebleich, um dann aber ruckartig im Gesicht rot anzulaufen, wie eine Tomate. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, es sah einfach zu komisch aus. Bevor aber der rote Adalbert anfangen konnte, seine Gefühle irgendwie in Worte zu fassen, die man verstehen konnte, kam Eduardo, mein Schwager durch die Tür.
[Bernd]
Eduardo schaute sich einen Moment im Raum um, bis er mich sah. Er ging freudestrahlend auf mich zu.
„Thomas! Mein Tommy Tortellini!”
Ich schaute ihn verwirrt an. Warum nennt er mich so? Und irgendwie verhielt er sich generell eigenartig. Er ging im Zickzack und mit angewinkelten Knien und ausgestreckten Armen auf mich zu, als wäre ich ein kleiner Junge, den er fangen möchte. Ich wollte schon etwas sagen, da packte er mich an den Schultern und rüttelte daran.
„Thomas! Du alter Sack! Wach auf!”
Ich machte die Augen auf. Mein Kopf lag auf dem Tisch. Horbitzers Hände waren auf meinen Schultern und rüttelten daran.
„Wie kann man schon jetzt schlafen? THOMAS!”
Ich richtete mich auf.
„Ja … ja ich bin wach, alles gut. Ich … hab letzte Nacht nur nicht gut geschlafen.”
Schencks Stimme ertönte. „Na das kann ja dann nur ein guter Tag werden. Thomas an der Maschine und hundemüde.” Schenck saß weiter hinten im Bauwagen und machte da seine Frühstückspause. Ich schaute zu ihm und sah, wie er sein Pausenbrot in seinen Mund schob.
„War der Chef schon hier?”, fragte ich.
„Hab ihn noch nicht gesehen”, antwortete Horbitzer.
„Der sitzt wahrscheinlich in seinem Büro und feiert seinen fetten Auftrag, den er bekommen hat. Hast du es schon gelesen?”
Er deutete auf den grünen Umschlag, der auf dem Tisch neben meiner Brotdose lag.
„Ja … ich meine nein, ich habe noch nicht reingeguckt”, antwortete ich.
Langsam nahm ich den Umschlag und öffnete ihn.
„Meiner Meinung nach der größte Scheiß. Und vor allen Dingen so”, sagte Horbitzer wütend.
Den Traum von eben noch gut in Erinnerung öffnete ich den Umschlag mit einem unguten Gefühl. Als er offen war, suchte ich nach dem roten Leuchten, aber zu meiner Erleichterung fand ich nur einen Zettel darin. Die Erleichterung verschwand allerdings nach und nach, während ich folgendes las:
Lieber Herr Kawuttke,
ich kann mit Freude verkünden, dass unsere Firma einen Großauftrag gewinnen konnte. Diesmal geht es ins Emsland und ab nächster Woche können Sie und Ihre Kollegen wieder zeigen, was Sie draufhaben!
Mir ist bewusst, dass Sie für nächste Woche eigentlich Urlaub beantragt haben. Da ich aber jeden Mitarbeiter auf der Baustelle benötige, damit wir den Auftrag auch ordentlich abarbeiten können, muss ich Ihnen hiermit mitteilen, dass sich Ihr Urlaub verschieben muss.
Sobald dieser Auftrag erledigt ist, verspreche ich Ihnen, dass Sie ihren wohlverdienten Urlaub in Anspruch nehmen dürfen. Aber für die nächste Zeit brauche ich Sie und Ihre Kollegen in Bestform.
Frohes Schaffen!
Gez. Adalbert Windlicht
Horbitzer war, während ich den Brief las, zurück zu Schenck gegangen und unterhielt sich mit ihm, aber ich beachtete die beiden nicht. In mir machte sich ein Gefühl breit, welches ich nur schwer beschreiben konnte. Der Urlaub, auf den ich mich schon so lange zusammen mit meiner Frau gefreut hatte; gestrichen. Für noch mehr Arbeit und noch mehr Stress, weitere schlaflose Nächte und noch mehr Kaffee, damit ich so wach bliebe, dass ich keinen schweren Unfall verursachen würde.
Meiner Niedergeschlagenheit folgte, sich langsam aufbauend, die Wut. Ich hatte schon so viel für die Firma geleistet und das ist der Dank? Ich hatte nicht viel verlangt. Zwei Wochen Urlaub, um mal von all dem Abstand zu gewinnen und sich neu aufladen zu können. Damit wäre der Firma viel mehr gedient, als wenn ich weiter durchziehe und irgendwann auf der Baustelle zusammenklappe, weil es einfach nicht mehr geht!
Meine Wut hatte sich so weit gesteigert, sodass ich aufstand und meine Jacke anzog.
Horbitzer und Schenck beobachteten mich.
„Ist die Pause schon wieder vorbei?”, fragte Horbitzer gespielt verwundert.
„Ich gehe”, antwortete ich ihm und ging in Richtung Tür.
„Das sehen wir. Wohin denn? Die Firma dankt es dir nicht, wenn du deine Pause für die Arbeit verkürzt.”
„Deswegen werde ich auch hinschmeißen”, sagte ich. Es fiel mir sehr schwer ruhig zu bleiben. In mir kochte es. Ohne ein weiteres Wort an Horbitzer ging ich zur Tür und öffnete sie.
„Thomas, was soll denn das? Bleib hier!”, hörte ich Schenck noch rufen, aber ich ignorierte ihn. Ich zog von der Jacke noch die Kapuze über meinen Kopf und ging raus in den Regen.
[Robin]
Klitschnaß kam ich zu Hause an. Ich war immer noch aufgewühlt und mir ging es nicht gut. Hatte ich überreagiert? Mein Körper zitterte und ich musste mich kurz auf den Holzstuhl in der Küche setzen. Als ich zur Ruhe kam, hörte ich ein Grummeln im Magen. Ein Blick in den Kühlschrank offenbarte mir die Lasagne vom Vortag, die ich zur Hälfte aufaß.
Anschließend sprang ich unter die Dusche. Während das warme Wasser meinen Körper hinunter floss, kam mir der kuriose Traum von heute morgen wieder in Kopf. Was war das für ein Chaos mit dem grünen Brief? Erst die Aussage zur Cheopspyramide, dann der Peilsender. Und als wäre das nicht lächerlich genug, tauchte Windlicht auch noch mit einer Spielzeugknarre auf, um mir ein Jobangebot zu machen. Immerhin hatte mein Unterbewusstsein hier Recht behalten, auch wenn der reale Bauauftrag ins Emsland und nicht nach Hannover gehen sollte. Nun bekam ich ein schlechtes Gewissen. War es wirklich richtig gewesen, wie eine Diva einfach hinzuschmeißen? Was würde Celibeth denken, wenn sie nachher von ihrer Arbeit heim kam? Ein kurzer Schock! Hatten wir heute wirklich unseren Hochzeitstag?
Ich lief tropfend aus der Dusche, hin zum Kalender in der Küche und blieb davor angewurzelt stehen: tatsächlich! Was spielt mein Unterbewusstsein mir nur für absonderliche Streiche?
Ich schaute auf die Küchenuhr. Bis Celibeth von ihrer Arbeit als Krankenschwester heimkommen würde, hatte ich noch vier Stunden. Genug Zeit also, noch etwas Schönes für sie zu besorgen. Ich machte mich weiterhin tropfend zurück ins Badezimmer, trocknete mich mit meinem Werder Bremen-Handtuch ab und entschied, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden.
Ich musste auf anderen Gedanken kommen. Ich zog mich an, setzte meinen Fahrradhelm auf und entschloss mich trotz des immerhin nachlassenden Regens zu einer Fahrradtour.
[Patrick]
Nachdem ich einige Kilometer gefahren war, hatte es aufgehört zu regnen. Der geteerte Radweg war nun einer Schotterstraße gewichen, die in einen Wald führte.
Ich beschloss, weiter in den Wald zu fahren. Während das Sonnenlicht, das durch die Baumwipfel auf mich herabfiel, mein Gesicht wärmte und das Gezwitscher der Vögel meinen Ohren schmeichelte, fühlte ich mich endlich friedlich und geborgen.
Ich erspähte einen umgestürzten Baum am Wegesrand und beschloss, eine Pause zu machen, um mich in aller Ruhe meinen rasenden Gedanken zu widmen.
„Herrlich“, dachte ich bei mir. „Wäre das Leben doch nur so idyllisch wie diese Waldeinsamkeit, dann müsste man sich nicht aufopfern und einer Arbeit nachgehen, die einem das Gefühl gibt, nur ein Sklave für jemand anderen zu sein. Der Mensch wäre frei und könnte den ganzen herrlichen Tag das tun, wonach ihm ist. Doch was ist denn nun mit mir? Wie soll ich weitermachen? Und womit?“
„War es richtig, alles hinzuschmeißen?“
„Hätte ich anders handeln sollen?“
„So ein kleiner Kopf und so viele Fragen.“
Ich vernahm ein eher krähenartiges Gekrächze neben mir, auf dem Baumstumpf. Ich vermochte für einen Moment meinen Augen nicht mehr zu trauen. Neben mir saß eine alte Dame und mischte sich ungefragt in meine Gedankenwelt ein. Sie holte tief Luft und fuhr fort:
„All diese Fragen im Leben sind doch vollkommen irrelevant und trüben den Blick. Das Leben will gelebt, gefühlt und erlebt werden. Nicht verstanden und schon gar nicht befohlen werden. Es ist eine Reise ohne Ziel, die jeden Menschen dorthin führt, wo er am glücklichsten ist, wenn er sich von seinen Strömungen leiten lässt und sich nicht mit unnötigem Denken die Sicht auf das Wesentliche vernebelt.“
Sie fuhr fort: „Du siehst aus wie jemand, der nicht weiß, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat. Solche Menschen kenne ich. Was geschehen ist, ist geschehen. Du hast gehandelt, wie es sich für dich richtig angefühlt hat, im Sinne deiner Wahrheit. Das ist sehr mutig und wunderbar. Siehst du diesen Vogel?“
Die alte Frau zeigte auf ein Rotkehlchen, welches einen Wurm aus dem Schutze des Bodens zog und mit ihm im Schnabel davonflog. „Der Vogel wird den Wurm verspeisen und sich danach keine Gedanken darüber machen, ob es richtig oder falsch war. Er brauchte eben Nahrung. Ebenso dieser Marienkäfer, der den Baum hinaufklettert. Er fragt nicht, ob der Weg der richtige ist, er geht ihn, weil er ihn eben geht. Nicht mehr, nicht weniger. Deshalb überdenke nicht zu viel, was geschehen ist, gehe den Weg, der dir der richtige dünkt.“
Ich betrachtete den Wald und plötzlich erlangte ich Klarheit. Mir ging es mit der Arbeit bei Windlicht nun wirklich nicht gut, ich hatte richtig gehandelt.
Gerade als ich mich umdrehte, um mich bei der alten Dame zu bedanken, stellte ich fest, dass sie verschwunden war.
Mit einem wohligen, befreiten Gefühl stieg ich auf mein Rad und fuhr weiter.
[Lukas]
Ja, ich werde es ab jetzt alles richtig machen, schoss es mir in den Kopf. Ich werde zuerst kündigen, dann die Koffer für unseren Hochzeitsurlaub packen und natürlich noch ein tolles Geschenk für Cely kaufen. Ich raste nur so auf dem Fahrrad nach Hause, mit einem großen Kribbeln im Bauch und dem Gefühl, dass ich ab heute in ein ganz neues Leben eintauchte.
Ich stellte das Fahrrad schnell in den Keller und raste in den dritten Stock in unsere Wohnung. Beim Laufen suchte ich bereits die Haustürschlüssel in meiner Hostentasche, aber unsere Wohnungstür stand sperrangelweit auf. Es musste etwas passiert sein, schoss es mir in den Kopf.
„Cely“ schrie ich. „Wo bist du? Ist alles in Ordnung?“
Im Wohnzimmer und im Bad war sie nicht. Als ich schnaufend und schwitzend die Küche erreichte, sah ich Cely lachend am Küchentisch sitzen und sie unterhielt sich mit jemandem. Ich glaubte meinen Augen nicht zu trauen, am Tisch gegenüber saß die alte Frau aus dem Wald.
[Bernd]
Die beiden schienen bereits sehr vertraut miteinander und baten mich, doch bei ihnen am Tisch Platz zu nehmen, was ich auch bereitwillig tat.
Aber es war doch recht schwierig für mich dort sitzen zu bleiben, denn es fand hier keine Unterhaltung statt, wie man sie so üblicherweise kennt. Stattdessen lachten beide immer abwechselnd aus vollem Hals.
Das beunruhigte mich sehr. Das Gefühl in mir wurde immer intensiver, dass Cely etwas angetan worden war, dass sie in sowas wie einem Bann gefangen war. Und während ich überlegte ob ich eventuell schnell zum Messerblock, der wie immer auf der Arbeitsfläche neben der Spüle stand, rüberspringen, mir ein Messer schnappen, und damit der Alten einfach die Kehle aufschneiden sollte, fing ich auf einmal selber mit dem Lachen an. Und so ging es eine Weile immer hübsch im Uhrzeigersinn, weshalb es unmöglich war, festzustellen, wer eigentlich angefangen hatte.
Eventuell war der Bann der Alten ja nicht so stark bei Männern, oder was weiß ich, jedenfalls gab es noch einen Teil in mir, der klar war in seinem Denken, beziehungsweise, mir erschien es zumindest so. Mit diesem Teil meines Denkens schaffte ich es in den Lachpausen dann mit voller Konzentration doch noch zum Messerblock zu springen. Ich erwischte das Käsemesser und schnitt damit einmal kräftig in den Hals der Alten. Doch während ich dies tat, verwandelte sich die alte Frau in einen Lampenschirm, der sich zu drehen begann, immer schneller, und aus dem Lampenschirm wurde ein goldener Kegel, der immer mehr anwuchs und so langsam den ganzen Raum über dem Tisch einnahm und auch Cely verschlang.
Als ich in den Kegel hineingesaugt wurde, hörte ich von ferne noch eine Frauenstimme, es könnte die von Cely gewesen sein, obwohl mir eine klare Erinnerung an Cely bereits abhanden gekommen war. Die Stimme rief jedenfalls mit einem völlig unnatürlichen Hall nur das eine Wort:
„Tollkirsche.“ Und weg war ich.
[Ralf]
Das Gold mäanderte zu einem Schwarz und dieses hielt einige Zeit an. Silberne Fäden spannten sich nach kurzer Dauer hinein und als ich meine Augen öffnete, lag ich noch immer in dem Wald, in dem ich meinte, die alte Dame gesehen zu haben. Nunja, eigentlich sah ich sie auch noch, denn sie beugte sich über mich, flankiert von zwei Rettungssanitätern.
„Da haben Sie aber ordentlich Glück gehabt, dass Sie den Helm aufhatten.“
„Häh?“ Ich blinzelte.
„Sie haben mich fast umgefahren, junger Mann und sind dann mit Vollkaracho gegen diesen Baum gezimmert.“ Die alte Dame zeigte auf einen Busch mit massivem Stamm. „Eine Atropa belladonna – Die Tollkirsche!“
Unauffällig betrachtete ich ihren Hals. Kein Blut, nur runzlige Falten. Zum Glück. Strafend sah Sie mich an.
„Etwas weniger Tempo wäre vielleicht angemessen gewesen!“
„So, nun machen Sie da mal Platz und lassen uns arbeiten“, scheuchte einer der Sanitäter sie fort.
Nach einer kurzen Untersuchung bekam ich einen entsprechenden Kopfverband. Sah bestimmt blöd aus.
„Wir werden leider nicht umhinkommen, Sie mitzunehmen.“
„Muss das sein?“
„Ne, muss nicht, aber wenn Sie sterben, haben wir Schreibkram, deswegen wollten wir das jetzt nicht wirklich zur Diskussion stellen. Sie können laufen? Dann laufen wir jetzt zusammen zum RTW.“
Auf dem Weg drehte ich mich noch einmal zur alten Dame um, diese war aber wieder verschwunden. Mysteriös. Seltsam. Aber so steht es geschrieben.
Wenn ich gewusst hätte, was mich in dem Krankenhaus alles für Schrecken erwarten würden, wäre ich lieber an meiner Kopfverletzung gestorben …
[Sebastian]
Widerwillig ließ ich mich in den Wagen auf eine Liege helfen und anschnallen. Ob das wirklich nötig war, wagte ich zu bezweifeln, aber nach dem Rüffel des Sanitäters behielt ich weitere Nörgeleien besser für mich. Der Wagen fuhr los und ich saß eine Weile schweigend zwischen den ebenso stummen Männern. Ein dumpfer Schmerz zuckte leicht durch meine Schädeldecke bei jedem Ruckler, den der Wagen entlang der Straße machte. „So viele Schlaglöcher kann es doch gar nicht geben“, brummte ich irgendwann auf. Der Sanitäter zu meiner Linken grunzte nur belustigt.
Ich überlegt ob ich Cely schreiben sollte. Sie würde sich sorgen und sich sofort auf den Weg ins Krankenhaus machen. Nein, den Stress wollte ich ihr nicht an tun. Und außerdem hoffte ich, dass mein Besuch in der Notaufnahme gleich nicht so lange dauern würde und ich nach einem kurzen Check direkt wieder raus konnte. Etwas mehr als 2 Stunden hätte ich noch, um was Schönes für den Hochzeitstag zu besorgen. Das würde schon klappen!
Ich versuchte die beiden Sanitäter, die mich immer wieder wachsam musterten, auszublenden und überlegte, was ich Cely Schönes besorgen konnte. Magnolien liebte sie sehr, ebenso wie japanische Ramen. Vielleicht war im japanischen Restaurant in der nächsten Stadt noch ein Tisch frei? Und davor würde ich sie mit einem riesigen Strauß Magnolien von der Arbeit abholen…Ja, das klang doch gut. Mit diesem soliden Plan entspannte ich mich wieder ein wenig und schaute aus dem Fenster.
Die von dicht belaubten Bäumen gesäumte Straße war bereits breiter geworden und führte an zahlreichen aneinander gebauten Häusern vorbei ins Stadtzentrum. Immer wieder sah ich auf meine Armbanduhr. Jetzt waren es bald nur noch eineinhalb Stunden. „Wenn wir doch nur schneller voran kommen könnten…“, nörgelte ich in meinen Gedanken weiter vor mich hin. Meine Anspannung wuchs mit jeder roten Ampel, die den Wagen für eine gefühlte Ewigkeit zum Stehen brachte. Gerade, als ich mein Handy zur Hand nehmen und schon mal den Tisch im Ramenrestaurant reservieren wollte, hielt der Krankenwagen endlich an. Mit einem hörbaren Ausatmen richtete ich mich ruckartig auf und wollte den Sanitätern, die mich ab schnallten und ausstiegen, schon fast hinterher springen, da wurde mir plötzlich unfassbar schwindlig.
[Xenia]
Der RTW hatte mich in die Notfallaufnahme gebracht. Hier musste ich die ganze Prozedur über mich ergehen lassen. Mir wurde Blutdruck gemessen, mir wurde Blut abgenommen, ich wurde auf eventuelle Brüche abgetastet und man stellte mir Fragen, wo ich dachte, was haben die mit meinem Unfall zu tun? Ein CT und MRT stand mir auch noch bevor. Ich hatte ein leichtes Schmerzmittel bekommen, denn der Kopf brummte mir ganz schön. Eine kleinere Wunde war bereits versorgt und nun lag ich auf der Liege und wartete auf die nächste Untersuchung. Aus den Augenwinkeln nahm ich die Bewegung der Tür war und drehte den Kopf. Mein Herz machte einen raschen Hüpfer, denn die alte Frau war wieder da! Mit schlurfenden Schritten trat sie lächelnd an mein Bett, sah mich feste an, sagte aber kein Wort.
„Sie …? Es tut mir wirklich leid, was da im Wald passiert ist …“, begann ich stotternd, immer noch in der Verwunderung, das die Alte mich bis ins Krankenhaus verfolgt hatte. Was wollte sie von mir? Doch bevor ich weitersprechen konnte, streckte sie die Hand nach mir aus und strich über meine Wange. Ihr Lächeln hatte sich weiter in ihre Mundwinkel gekerbt. Dann beugte sie sich tiefer zu mir und flüsterte:
„Dünner!“
Ich spürte mein Herz einen Schlag aussetzen, war nicht fähig etwas zu sagen. Ich war einfach so perplex und meine Gedanken ratterten im Kopf umher. Es waren nur ein oder zwei Sekunden, die ich nicht genau wusste, was gerade um mich herum passierte, aber als ich wieder etwas klarer sehen und denken konnte, sah ich die alte Frau aus dem Notfallzimmer verschwinden und die Türe hinter ihr zufallen.
Mein Herz raste weiter und das Blut schoss mir in den Kopf. Mir wurde warm. Was war da gerade passiert? Befand ich mich in einem Alptraum? Der Gedanke an einen alten Horror-Film nach dem Gruselautor Stephen King kam mir in den Kopf …
Doch dann wurde die Türe abermals geöffnet und eine Frau stürzte herein.
„Thomas!“, rief sie ängstlich aus und trat an mein Bett heran. Es war Celibeth, meine Frau.
Ich bekam kein Wort heraus und mein Blick glitt an ihr vorbei zur Türe, wo ich vermutete die alte Frau nochmals zu sehen, aber sie war nicht da.
Celibeth hatte bemerkt, dass etwas nicht mit mir stimmte, denn sie sah mich fragend an.
„Was ist passiert? Was …?“
„Es ist alles gut, Cely“, sprach ich beruhigend auf sie ein, während sie mich von oben bis unten betrachtete. Aber für mich war nichts gut. „Hast du die alte Frau gesehen? Sie muss gerade hier raus und dir auf dem Flur entgegengekommen sein.“
Cely zog die Augenbrauen zusammen.
„Wovon redest du? Ich will wissen, was mit dir passiert ist? Warum bist du hier in der Notaufnahme?“
„Ich … ich hatte einen Fahrradunfall. Aber es scheint nichts ernst verletzt zu sein. Ich wollte dich anrufen, wenn die Untersuchungen vorbei sind …“
Cely stand da in ihrer Krankenschwesterntracht und sah wie immer bezaubernd aus. Da musste es mir einfach direkt besser gehen, wenn ich sie so sah. Auch mit der Angst in ihren Augen strahlte sie einfach Liebe für mich aus. Sie hatte sich über mich gebeugt und mir einen Kuss aufgedrückt und hielt mich jetzt fest. Diese intensive Umarmung ließ mich meine Knochen spüren und ich stöhnte leise auf. Schnell lies sie von mir ab aber ich nickte ihr lächelnd zu.
Langsam kehrte etwas Ruhe in meine Gedanken und ich drängte die alte Frau in meinem Kopf zurück.
„Schön dass du da bist. Woher wusstest du, dass ich hier bin?“
„Mein Chef hat mich angesprochen, weil er mitbekommen hat, dass du hier eingeliefert wurdest.“
Ich ließ mich zurück auf das Bett sinken.
„Ich glaube heute ist nicht ganz mein Tag“, sprach ich Cely an, und sie wusste direkt, dass mir etwas auf der Seele lag.
„Was ist passiert? Wie ist es zu diesem Unfall gekommen?“
„Es ist ja noch nicht Mal der Unfall alleine. Windlicht war heute wieder der Arsch des Tages.“
Cely sah mich fragend an.
„Ich habe gekündigt!“
„Du hast … was?“
„Er hat ein neues Projekt und wollte das Horbitzer, Schenk und ich das übernehmen. OHNE meinen Urlaub anzutreten. Da ist wohl eine Sicherung in mir durchgebrannt und ich bin einfach abgehauen.“
„Er kann doch nicht einfach …“
Ich nickte.
„Ich war völlig durch den Wind, bin nach Hause und habe mich auf mein Rad geschwungen und bin losgefahren. Meine Gedanken sind durch mein Hirn gerast und haben sich überschlagen. Ich bin mir nicht ganz sicher, was dann passiert ist …“
Ich stockte und versuchte meine Gedanken zu sortieren. Was hatte ich wirklich erlebt? Da kamen auch die Gedanken an die Alte zurück. War das alles nur Einbildung gewesen? Vielleicht hatte mein Kopf doch mehr bei dem Unfall abbekommen. Aber warum hatte ich sie dann hier im Krankenhaus wieder gesehen?
„Ich hätte fast die alte Frau im Wald überfahren. Und sie hat mich bis hierher verfolgt und dann … verflucht!“
Celibeth und ich sahen uns erschrocken an. Keiner sagte ein Wort.
Da öffnete sich erneut die Tür und die Krankenschwester der Notaufnahme kam herein.
„So, Herr Kawuttke. Jetzt geht es zur nächsten Untersuchung.“
Die beiden Frauen grüßten sich kurz, sicher kannten sie sich dienstlich.
„Hier ist heute wirklich was los“, sagte die Krankenschwester eher an meine Frau gewandt. „Heute morgen erst hat ein Notfallpatient hier richtig Ärger gemacht, weil er sich nicht helfen lassen wollte. War auch einiges an Alkohol im Spiel. Und gerade eben haben sie eine alte Frau hier in der Notaufnahme aufgegabelt die heute Mittag aus der Geschlossenen nebenan ausgebüxt ist.“ Sie lachte und schüttelte den Kopf. „Sachen gibt es …“
[Alexander]
Ja, Sachen gibt es.
Celibeth und ich schauten uns fragend an und irgendwie fiel mir ein Stein vom Herzen. Kein Fluch. So hoffte ich.
Und so war es dann auch. Die nächste Untersuchung war dann auch die letzte und nach einem kurzen Gespräch mit einer Ärztin durfte ich dann endlich das Krankenhaus verlassen. Ich aß noch einen Happen vom Imbiss gegenüber, bis Celibeth kurz darauf auch ihren Feierabend hatte.
Dann ging es mit ihrem dunkelroten Opel Corsa auf den Heimweg. Mein Fahrrad lag ja sicherlich noch im Wald und ich musste mich morgen erst mal darum kümmern, was damit ist. Bei dem Gedanken in den Wald zurückzukehren wurde mir wieder etwas flau im Magen. Aber das alte Mütterlein sollte mittlerweile wieder in der Geschlossenen sein. Ende gut, alles gut. Doch irgendwie blieb ein Rest Zweifel.
Auf der Rückfahrt hielt Celibeth plötzlich vor dem indischen Restaurant, dessen Besitzer mir immer die scharfe Spezialmischung an die Gerichte zauberte.
„Dann können wir uns ja nun endlich unserem Hochzeitstag widmen“, sagte sie mit einem Augenzwinkern.
Sie beugte sich zu mir.
„Alles Gute, mein Schatz.“
Sie gab mir einen Kuss, den ich leidenschaftlich erwiderte.
„Dir … auch alles Gute“, sagte ich nur.
Wir schauten uns an. Diesen Hochzeitstag würde ich zumindest niemals vergessen.
Das Essen war super lecker und tat nach den Strapazen des Tages richtig gut. Ich fühlte mich wieder fit, wie lange nicht mehr.
Wir sprachen noch kurz über die Kündigung bei Windlicht, entschieden uns aber, es durchzuziehen. Nun stand erst einmal unser gemeinsamer Urlaub an und danach würde sich was Neues finden. Irgendwas mit weniger Menschenschinderei. Dabei beließen wir es dann auch für diesen Abend.
Direkt im Anschluss fuhren wir nach Hause, um den Hochzeitstag angemessen ausklingen zu lassen.
Ich öffnete schon mal die Haustür und ging direkt in den Flur. Ich hörte hinter mir noch ein Klappern, drehte mich um und sah Celibeth an. Sie grinste.
„Der war im Briefkasten, ist für dich.“
Sie reichte mir etwas entgegen: ein Brief in einem grünen Umschlag.
[Patrick]
Ende?
Das Titelbild
Das Teaserbild wurde mit Hilfe von ChatGPT erstellt:
